Hessischer Hochschulpreis für emergenCITY-PIs und Kollegen
Interdisziplinäre Veranstaltung „Energiewende gestalten“ für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnet
Interdisziplinäre Veranstaltung „Energiewende gestalten“ für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnet
Für die Lehrveranstaltung „Energiewende gestalten“ erhielten die stellvertretende emergenCITY-Koordinatorin Michèle Knodt und emergenCITY-PI Florian Steinke zusammen mit ihrem Fachkollegen Stefan Niessen den renommierten und mit 60.000 Euro dotierten Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre. Wissenschaftsminister Timon Gremmels überreichte heute Abend im Frankfurter Jügelhaus der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung die Auszeichnungen. Die ausgezeichnete Lehrveranstaltung bietet Studierenden der Politik- und Ingenieurwissenschaften die Möglichkeit, die komplexen Herausforderungen der Energiewende zu verstehen und anzugehen. In einem innovativen Ansatz werden ein Vorlesungsteil, ein Seminarteil und ein Praxisteil miteinander verbunden. Im Praxisteil wenden die Studierenden die erworbenen Kenntnisse in einem eigens programmierten Serious Game an und lernen so spielerisch die Mechanismen der Energiewende kennen.
„Ich freue mich sehr, dass das Team, das die Lehrveranstaltung ‚Energiewende gestalten‘ verantwortet, in diesem Jahr mit dem Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnet wird“, sagt Heribert Warzecha, Vizepräsident für Studium und Lehre sowie Diversität an der TU Darmstadt. „Die Veranstaltung ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie unsere Leitideen für gute Lehre umgesetzt werden: Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen arbeiten an gesellschaftlich hoch relevanten Fragestellungen. Die Studierenden nehmen an einem interdisziplinären und innovativen Lehrformat teil, in dem ihnen praxisnah aktuelle Forschungsfragen und -ergebnisse vermittelt werden.“
Im Interview stellen Professorin Knodt vom Institut für Politikwissenschaft (Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften) sowie Professor Steinke vom Fachgebiet Energieinformationsnetze und -systeme und Professor Niessen vom Fachgebiet Technik und Ökonomie Multimodaler Energiesysteme (beide vom Fachbereich etit) ihre Lehrveranstaltung vor.
Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung mit dem Hessischen Hochschulpreis zur Exzellenz in der Lehre! Was ist das Besondere an „Energiewende gestalten“? Wie ist die Lehrveranstaltung aufgebaut?
Professorin Michèle Knodt: Vielen Dank für die Glückwünsche. Wir freuen uns auch sehr über diese Anerkennung. Das Besondere an der Lehrveranstaltung „Energiewende gestalten“ ist der interdisziplinäre Ansatz, der Studierende aus der Politik- und Ingenieurwissenschaft zusammenbringt, um gemeinsam die komplexen Herausforderungen der Energiewende zu verstehen und anzugehen. Die Veranstaltung ist einzigartig, weil sie technische, politische, ökonomische und soziale Aspekte der Energiewende integriert. Durch diesen breit gefächerten Ansatz werden die Studierenden nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene gefordert, sondern erhalten auch praktische Einblicke in reale Entscheidungssituationen durch das eigens entwickelte Serious Game. Dies ermöglicht ihnen, theoretisches Wissen in einem simulierten, praxisnahen Kontext anzuwenden.
Der Aufbau der Lehrveranstaltung gliedert sich in drei wesentliche Teile. Zunächst gibt es den Vorlesungsteil, in dem die Grundlagen der Energiewende aus technischer, wirtschaftlicher und politikwissenschaftlicher Sicht vermittelt werden. Darauf folgt der Seminarteil, in dem die Studierenden interdisziplinär in Teams aktuelle Studien zur Energiewende analysieren und präsentieren. Der dritte Teil ist der Praxisteil, das sogenannte „Energiewendespiel“. Hier simulieren die Studierenden die Umsetzung der Energiewende bis zum Jahr 2045. Dieser strukturierte Aufbau, der Theorie und Praxis verknüpft, sorgt für ein tiefgehendes Verständnis der Materie und fördert die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte in einem realitätsnahen Umfeld zu bewältigen.
Energie ist ein zentrales Thema, mit dem sich Forschende (fast) aller Fachrichtungen an der TU in irgendeiner Form beschäftigen. Auch Sie sind in diesem Bereich sehr aktiv und interdisziplinär tätig. Woher kam die Idee zur Veranstaltung, und wie ergänzt sie die Energieforschung an der TU?
Professor Florian Steinke: Die Idee zur Veranstaltung entstand aus der Nachfrage der Studierenden, den komplexen Prozess der Energietransformation sowohl aus politikwissenschaftlicher als auch technischer Sicht zu analysieren und zu verstehen. Das haben wir aufgegriffen. Aus der gemeinsamen Forschung mit Professorin Michèle Knodt und Professor Stefan Niessen sowie unserer Arbeit im Forschungsfeld E+E und im Profilthema „Integrated Energie Systems“ heraus, haben wir drei mit unseren jeweiligen Teams die Veranstaltung „Energiewende gestalten“ mit einem Vorlauf von einem Jahr entwickelt.
Zentraler Bestandteil von „Energiewende gestalten“ ist ein eigens entwickeltes Serious Game, das „Energiewendespiel“. Worum geht es da, und was soll den Studierenden dadurch vermittelt werden?
Professor Stefan Niessen: Im Laufe des Moduls nehmen die Studierenden eine zunehmend aktive Rolle ein. Im Vorlesungsteil sind sie in der klassischen Rolle von Studierenden. Sie nehmen Informationen auf. Im Seminarteil setzen sie sich kritisch mit Studien auseinander, hinterfragen die Richtigkeit der Aussagen und die Interessenlage der Autoren und Auftraggeber. Beim Energiewendespiel nehmen die Studierenden schließlich eine gestalterische Rolle ein. Interdisziplinär zusammengesetzte Team aus jeweils fünf Studierenden treffen über den Zeitraum 2020 bis 2045 in Fünf-Jahres-Schritten Investitions- und Handels-Entscheidungen aus der Sicht von Stromerzeugern, Industrieunternehmen und Privathaushalten. Und alle fünf Jahre wählen sie unter drei politischen Parteien, von denen jeweils zwei eine Koalition bilden müssen. Die gewählte Regierung legt dann jeweils die politischen Rahmenbedingungen (wie Steuern, Subventionen, Verbote, Neuverschuldung) für die nächsten fünf Jahr fest. Eine Computersimulation ermittelt daraufhin die sich so ergebenden Kosten, Gewinne oder Verluste, Steuern und die Zufriedenheit der Haushalte und nicht zuletzt: den CO2-Ausstoß.
Obwohl das Spiel im Vergleich zur Realität noch viele Vereinfachungen vorsieht, gelingt nur wenigen Teams die Klimaneutralität bis 2045. Und das, obwohl wir in der ersten Runde in einem konstruktiven Spielmodus spielen, bei dem alle Spieler ihre Informationen teilen und gemeinsam überlegen, welches die besten Entscheidungen sind. In einer zweiten Runde verhalten sich die Spieler dann jeweils egoistisch zugunsten ihrer jeweiligen Rolle. In diesem Modus ist es noch nie einem Team gelungen, die Klimaziele zu erreichen.
Wie zeigt sich die Interdisziplinarität in der Veranstaltung?
Professorin Michèle Knodt: Die Interdisziplinarität der Veranstaltung spiegelt sich vor allem in der Zusammenarbeit von Studierenden aus verschiedenen Fachbereichen wider. Ingenieur- und Politikwissenschaftler arbeiten gemeinsam an den Herausforderungen der Energiewende. In den Vorlesungen und Seminaren werden sowohl technische als auch politische Themen behandelt, und im Planspiel werden diese Disziplinen zusammengeführt. Die Studierenden profitieren dabei von einem tiefgehenden Verständnis der jeweils anderen Disziplin, was die Zusammenarbeit in gemischten Teams besonders wertvoll macht. Durch diese interdisziplinäre Herangehensweise wird auch deutlich, dass die Energiewende nur durch die Kooperation verschiedener wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure erfolgreich umgesetzt werden kann.
Sie fördern mit Ihrer Lehrveranstaltung Diversität und Ausgewogenheit der Geschlechter. Die Studierenden setzen sich aus circa 60 Prozent männlichen und 40 Prozent weiblichen sowie einigen diversen Teilnehmenden zusammen. Insgesamt waren Studierende aus 18 verschiedenen Nationen vertreten. Warum ist Ihnen dieser Aspekt wichtig?
Professor Florian Steinke: Diversität ist für uns ein entscheidender Faktor, da die Energiewende eine globale Herausforderung ist, die verschiedene Perspektiven und Ideen erfordert. Eine diverse Gruppe von Studierenden – sei es hinsichtlich des Geschlechts, der Nationalität oder des fachlichen Hintergrunds – bereichert die Diskussionen mit unterschiedlichen Perspektiven und fördert innovative Lösungsansätze. Unser Ziel einer gelungene Energietransformation auf globaler Ebene, erfordert es auch in der Praxis, dass unterschiedlichste Personen gut miteinander arbeiten können. Dies üben wir hier bereits im Kleinen.
Mittlerweile ist die Veranstaltung fest in das Curriculum integriert, sie findet im Wintersemester 2024/25 zum fünften Mal statt. Was ist das Erfolgsrezept? Warum wird sie von den Studierenden so gut aufgenommen?
Professor Stefan Niessen: Das Erfolgsrezept der Veranstaltung liegt in der engen Verzahnung von Theorie und Praxis. Die Studierenden können ihr Wissen direkt im Energiewendespiel anwenden, was die theoretischen Inhalte greifbar macht. Zudem sind die interdisziplinäre Zusammenarbeit und das praxisnahe Lernformat entscheidende Faktoren. Die Kombination aus Vorlesungen, Seminaren und dem Serious Game bietet den Studierenden eine einzigartige Möglichkeit, sich mit der Energiewende auseinanderzusetzen. Sie schätzen besonders die praxisnahen Einblicke und die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen Entscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen zu sehen. Diese Art des Lernens bleibt nachhaltig in Erinnerung.
Interview: SCC, TU Darmstadt
Weitere Einblicke gibt ein Youtube-Video über die prämierte Veranstaltung.
Die Veranstaltung „Energiewende gestalten“ wurde 2023 mit dem Sonderpreis Interdisziplinäre Lehre des Athene-Preises für Gute Lehre und als „Best Practice“ der 5. MINTchallenge ausgezeichnet. Erarbeitet wurde die Lehrveranstaltung von Professorin Michèle Knodt, Lukas Flath und Niklas Klüh vom Institut für Politikwissenschaft (Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften) sowie Professor Florian Steinke, Carolin Ayasse und Jonas Hülsmann vom Fachgebiet Energieinformationsnetze und -systeme (Fachbereich etit) und Professor Stefan Niessen und Pascal Friedrich vom Fachgebiet Technik und Ökonomie Multimodaler Energiesysteme (ebenfalls Fachbereich etit).
Der Hessische Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre rückt hervorragende Lehrbeispiele in den Mittelpunkt und wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst vergeben. Der Preis wird für herausragende und innovative Lehrleistungen verliehen. Die Mitglieder der Jury setzt sich aus Lehrenden und Studierenden sowie einer Vertreterin des Wissenschaftsministeriums zusammen.