Die verheerende Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 hat uns schmerzlich die Verwundbarkeit unserer Städte vor Augen geführt. Das Ausmaß der Verwüstung, ausgelöst durch Starkregen, hat ganz Deutschland erschüttert. Parallel mit dem Wiederaufbau stellt sich nun in der Nachbereitung auch die wichtige Frage des zukünftigen Katastrophenschutzes. Was können wir tun um zukünftig besser vorbereitet zu sein? Aus einer Katastrophen zu lernen, die Erkenntnisse mit Kommunen und Bevölkerung zu teilen und hier Verbesserungen zu unterstützen ist Aufgabe der Wissenschaft.
Im Rahmen der Forschung zur Resilienz von Städten beschäftigen sich einige Forschungsvorhaben von emergenCITY explizit mit dem Thema Hochwasser und Fluten. Im Folgenden möchten wir diese Projekte vorstellen und aufzeigen, wie die Forschung von emergenCITY im Vorfeld und in allen Phasen von Krisen dazu beitragen kann, zukünftige Flutkatastrophen abzumildern und Bevölkerung sowie kritische Infrastrukturen zu schützen – und wie darüber hinaus im Ernstfall Notfallkommunikation und Rettungseinsätze durch emergenCITY-Technologien unterstützt werden können.
Frühwarnsystem für Sturzfluten
In Santiago de Chile forscht emergenCITY-Wissenschaftler Benjamin Becker zusammen mit Professor Christian Oberli von der Pontificia Universidad Católica de Chile an einem drahtlosen Frühwarnsystem für Sturzfluten. Das Frühwarnsystem besteht aus einer Reihe von Messstationen, die in einem Wireless Sensor Network verbunden sind und Daten wie beispielsweise Temperatur, Regenfall, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck messen. Deuten diese Messdaten auf eine Sturzflutgefahr hin, so senden die Messstationen eine Warnung und ermöglichen es, die Bevölkerung rechtzeitig aus gefährdeten Bereichen zu evakuieren. Das Netz der Messstationen ist in der Lage, Informationen drahtlos untereinander auszutauschen und die Warnungen mit einem speziell entwickelten Kommunikationsprotokoll von Messstation zu Messstation schnell, zuverlässig und energieeffizent ins Tal zu senden.
Resilienz für Nachbarschaften und App „Lokalfunk“
Bei der Bewältigung größerer Krisenereignisse spielt nachbarschaftliche Hilfe eine besondere Rolle: Menschen organisieren sich in ihrer Nachbarschaft und helfen sich gegenseitig. Während dies in der Vergangenheit noch ein rein analoger Prozess war, werden heute auch Messenger-Apps genutzt, um die Selbstorganisation zu unterstützen. Leider sind die Apps jedoch nicht auf Ausfallsicherheit ausgelegt und versagen schnell bei Ausfällen der Kommunikationsinfrastruktur, beispielsweise wenn Server oder Sendemasten beschädigt sind. Für diesen Fall arbeitet emergenCITY an einem Resilienzkonzept, dass auf interdisziplinär abgeleiteten Anforderungen beruht und Bürger*innen ermöglicht, sowohl im Alltag als auch bei Krisenereignissen resilient zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Hierfür entwickeln wir die Nachbarschafts-App „Lokalfunk“, die Selbstorganisation und im Alltag unterstützt und auch in Krisenfällen unabhängig vom Internet weiter funktioniert.
Einsatz von Drohnen und Rettungsrobotern
emergenCITY-Professor Oskar von Stryk und sein Team forschen in Kooperation mit dem Deutschen Rettungsrobotik Zentrum (DRZ) an der Entwicklung und Verbesserung von Drohnen und Robotern für den Einsatz in Krisen- und Katastrophenfällen. Die Rettungsroboter können Aufgaben in Gefahrenzonen übernehmen, die Rettungskräfte nicht betreten können, beispielsweise in einsturzgefährdeten Gebäuden oder in einem beschädigten Chemielabor. Hier können die Roboter ausgerüstet mit verschiedenen Tools, Messsystemen und Kameras Aufklärungsarbeit leisten und ein genaues Lagebild liefern oder verschiedene Gegenstände bewegen und Aktionen ausführen. Kamera, Infrarotkamera und Radar eigenen sich zudem dazu, vermisste Menschen aufzuspüren. Während der Flutkatastrophe im Juli 2021 wurde der DRZ Rettungsroboter Telemax bereits vom Land NRW angefordert und emergenCITY Wissenschaftler Marius Schnaubelt war mit dem Roboter vor Ort. Dort angekommen gab es jedoch keine Aufgabe mehr für den Roboter und er kam hier nicht zum Einsatz.
Befragung betroffener Bürger*innen im Ahrtal
Ganz konkret mit dem Krisenverlauf im Ahrtal beschäftigt sich ein Team um die emergenCITY Forscherinnen Anna Stöckl und Steffen Haesler. Durch die Befragung betroffener Bürgerinnen mit einer Online-Umfrage, sowie Interviews mit hauptamtlichen, ehrenamtlichen und spontanen Helfern untersuchen sie, wie die Nichtverfügbarkeit kritischer Infrastrukturen in verschiedenen Phasen der Krise wahrgenommen wird. Von besonderem Interesse sind dabei Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Stromversorgung, Mobilfunk- und Verkehrsnetze.
Lernen aus vergangenen Krisen
Lehren aus vergangenen Hochwasserkrisen sammelt wiederum emergenCITY Wissenschaftlerin Nadja Thiessen. Im Rahmen ihrer Promotion erforscht sie die Bewältigungsstrategien der Städte Mannheim und Dresden angesichts der Gefährdung städtischer Infrastrukturen durch Hochwasser. In ihrer Arbeit analysiert sie die Jahre 1918 bis 1989, so dass wir hier aus 70 Jahren Umgang mit Hochwasserkrisen lernen können. Die Ergebnisse werden voraussichtlich 2022 veröffentlicht.
Forschung zu wassersensitiver Stadtgestaltung
emergenCITY Professorin Annette Rudolph-Cleff aus dem Fachbereich Architektur ist Expertin für wasserintensive Stadtgestaltung. Bei dieser ist es das Ziel, Möglichkeiten des Hochwasserschutzes, des Wasserressourcenmanagements und der urbanen Klimaresilienz bereits bei Stadtplanungsprozessen mit zu berücksichtigen. Die Forschung von Prof. Rudolph-Cleff beschäftigt sich mit wasserspezifischen städtischen Resilienzkonzepten, etwa dem Hochwasserschutz urbaner Infrastrukturen in Rotterdam, und gleichzeitig dem Wert von Wasser in der Stadtgestaltung, beispielsweise bei der Begrünung oder auch Kühlung von Städten.