Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr ist eines der schwerwiegendsten Hochwasserereignisse in Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Es hinterlässt die betroffenen Kommunen und Regionen nicht nur mit immensen Schäden, sondern auch mit zahlreichen Fragen zum Wiederaufbau und zukünftiger Prävention. Zu diesen strategischen Herausforderungen setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt KAHR an. KAHR steht für KlimaAnpassung, Hochwasser und Resilienz und zielt auf die wissenschaftliche Begleitung und Beratung des Wiederaufbauprozesses ab. Wie könnten Ansatzpunkte für eine klimaangepasste und dadurch resilientere Entwicklung der Regionen aussehen? – das ist die zentrale Frage.
Im Rahmen einer ersten Wissenschaftskonferenz im Juni erarbeiteten Forschende verschiedener Disziplinen zehn Empfehlungen rund um das Thema Wiederaufbau und Zukunftsfähigkeit der flutbetroffenen Regionen. Vom räumlichen Risikomanagement und der Hochwasservorsorge über den Schutz Kritischer Infrastrukturen bis zur Hydrologie des Hochwassers und den unterschiedlichen Akteuren im Wiederaufbau reichen dabei die spezifischen Thematiken, die Handlungsbedarfe auf verschiedenen Verwaltungs- und Politikebenen für den Wiederaufbau sowie die Entwicklung und Klimaanpassung von Regionen aufzeigen. Nun veröffentlichten die KAHR-Forschenden diese zehn Empfehlungen in einer präganten Fassung und neben den Sprechern des KAHR-Verbundprojekts Prof. Dr. Jörn Birkmann und Prof. Dr. Holger Schüttrumpf haben sich zahlreiche weitere Wissenschaftler*innen mit ihrer Unterschrift angeschlossen, so auch emergenCITY Wissenschaftlerin Nadja Thiessen.
„Die Forderungen sind mir eine Herzensangelegenheit und ich möchte sie voll unterstützen“, so Thiessen, die bei emergenCITY zum Lernen aus vergangenen Katastrophen und der Nutzung von historischem Erfahrungswissen zur Krisenbewältigung forscht. Aus der Sicht der historischen Katastrophenforschung ist besonders die Empfehlung 6 von zentraler Bedeutung, die fordert die Signalfunktion von Plänen zu stärken und in diesem Zuge Starkregengefahren- und Risikokarten öffentlich zugänglich zu machen. Denn einer laufenden Umfrage in betroffenen Haushalten des Landkreises Ahrweiler gaben 70% der Befragten an, vor dem Hochwasser im vergangenen Jahr nicht gewusst zu haben, dass ihr Wohnhaus von einem hochwasserexponierten Bereich situiert ist (siehe KAHR Empfehlung 6). Die KAHR-Wissenschaftler*innen empfehlen daher:
„Eine gesonderte Darstellung von betroffenen Gebieten bei einem extremen historischen Hochwasser ist in Betracht zu ziehen. Zusätzlich sollte die Ausbreitung der Überflutungen während zurückliegender Ereignisse durch Hochwassermarken auch im Gelände, an Gebäuden und entlang von Infrastrukturen kenntlich gemacht werden, um das Risikobewusstsein kontinuierlich aufrecht zu erhalten.“ (Zitat KAHR Empfehlung 6)
Für Thiessen ist dieses Wissen von und über vergangene Hochwasserereignisse von zentraler Bedeutung: „Die Etablierung einer Hochwasser-Erinnerungskultur im Alltag, wird dazu beitragen, dass das Risikobewusstsein in der Bevölkerung und bei Entscheidungsträger*innen gestärkt wird. Somit lassen sich zudem notwendige raumplanerische Maßnahmen verständlicher machen und die Sensibilität für Warnungen erhöhen“, so die Historikerin. Es gilt ein solches Wissen zu nutzen, um Schutzstrategien für die Zukunft zu planen und nicht mehr im selben Maße von solchen Extremereignissen überrascht zu werden (siehe KAHR Empfehlung 2. Auch in der Raumplanung kann ein solches historisches Wissen die Hochwasservorsorge stärken und berücksichtigt werden (siehe KAHR Empfehlung 7).